Die ersten Ausläufer des aufziehenden Taifuns sind bereits bemerkbar und der Himmel wird immer dunkler. Beim Erkunden der Stadt schaffen wir es vor dem ersten Guss gerade zum Grand Mazu Tempel und verbringen den Schauer dort. Der verdunstete Regen auf den heißen Steinen lässt die Luftfeuchtigkeit ins unerträgliche steigen und bei fast 35 Grad fühle ich mich im Tempel fast zerlaufen.
Nichtsdestotrotz ist der Besuch höchst spannend. Wir bekommen eine Erklärung, wie man sich selbst oder noch besser Menschen, die einem wichtig sind, Amulette mit Wünschen erstellt und segnet. Die DIY Blessing Talismans Station stellt die passenden Stempel mit vorformulierten Wünschen bereits bereit und so werden gleich ein paar Amulette hergestellt – Asian efficiency!
Tainan gilt auch als das kulinarische Zentrum Taiwans. Allerdings hatte uns das Restaurant am Vorabend so dermaßen enttäuscht, und erstmals ließen wir Großteile des Essens auf dem Teller, weil sie einfach ungenießbar waren. Und dies war ein angesehenes, fast schon gediegen aussehendes Restaurant. Für den neuen Tag war also klar, dass wir uns doch lieber auf die Aunties und Uncles verlassen, die mit ihren unscheinbaren Straßenküchen wenigstens wissen was sie tun.
Dr. Chen Tea
Auch gilt Tainan als die beste Stadt Tee zu erwerben, der in den nicht weit entfernt liegenden Bergen Taiwans wächst. Die Oolong-Tees genießen einen hervorragenden Ruf unter Teekennern und werden weltweit geschätzt. Also begeben wir uns etwas unsicher in den angeblich ältesten und renommiertesten Teeladen der Stadt. Selbst vom hinschauen, hat man gleich das Gefühl, dass man hier richtig ist. Man sieht dem Laden seine Qualitätsware an, im Fenster stehen hochwertige Tonkannen und Teesets, im Regal elegant aussehende Kartons und Teedosen. Allerdings ist er auch gleichzeitig total unprätentiös, denn es stapeln sich auch jede Menge Kartons mit Tee einfach im Weg, Papierkram und andere Utensilien liegen verstreut rum und es herrscht einfach ein sympathisches Chaos.
Noch bevor wir etwas äußern können, werden wir schon aufgefordert am Tisch Platz zu nehmen und der Sohn des Familienunternehmens fängt bereits an die ersten Tees für uns zuzubereiten. In kleinen Tassen stellt er uns erstmal die grundlegenden Arten taiwanesischen Tees vor. Grüner Tee, halboxidierter und halbgerösteter und stark oxidierter und gerösteter Tee. Trotzdem sind das alles noch Oolong-Tees mit Oxidationsgraden zwischen 10% und 50%. Währenddessen geht es aber kaum um den Tee selbst sondern man spricht über alles Mögliche und selbst Themen wie der Klimawandel und die Bedrohnung Taiwans durch China werden diskutiert.
Inzwischen sind wir weg von den Probiertassen und es werden jetzt Tees aus höheren Lagen, die damit auch qualitativ besser werden, in kleinen Tonkännchen aufgegossen und immer wieder ausgeschenkt. Dabei werden bis zu sechs Aufgüsse des Tees vorgenommen, von denen jeder nur wenige Sekunden zieht und der sich mit jedem Aufguss geschmacklich etwas verändert. Ich dachte ja, irgendwann wollen die sicher auch mal was verkaufen, aber nach mindestens 20 Kannen Tee, werden immer noch seelenruhig die nächsten Aufgüsse durchgeführt, immer noch an den Tassen gerochen und immer noch weiter probiert. Wir haben jedoch eine Reservierung bei einem Sushi-Restaurant, das bald schließt und müssen das Tasting für den Tag erstmal beenden. Wir müssen am nächsten Tag wiederkommen, was wir natürlich auch tun. Und so geht es am nächsten Tag fast nahtlos weiter. Nach einer Weile übernimmt der Vater das Tasting, der Sohn muss Essen für die Familie kochen, und wir erfahren noch mehr über die Familientradition. Er selbst hat vor 50 Jahren das Geschäft von seinem Vater übernommen, der allerdings noch nicht selbst einen Laden hatte, sondern Tee in den Bergen angebaut hatte. Und auch heute noch baut die Familie ihre eigenen Tees an und berichtet stolz, von dem Obst und Gemüse, das sie für privaten Bedarf ziehen. Nachdem wir uns weitere zwei Stunden durch die verschiedensten Qualitäten des grünen Tees probiert haben, sind wir wohl endlich bereit noch etwas Besonderes zu probieren.
Sie öffnen ein Paket mit weißem Tee, der im Gegensatz zu allen anderen Tees nicht gerollt wird – es sind einfach nur getrocknete Blätter, die unkomprimiert aus dem Paket kommen und daher ein vielfaches an Volumen, verglichen mit allen anderen Tees, einnehmen. Und der Geschmack war dann wirklich nochmal eine Offenbarung. Am Ende haben wir es dann tatsächlich doch noch geschafft unsere Teevorräte aufzufüllen und verließen den Laden dann sogar noch mit Mangos und anderen Früchten aus dem eigenen Garten, die wir zwischenzeitlich fast aufgedrängt bekamen.
Inzwischen hat der Taifun deutlich an Fahrt aufgenommen. Das Zentrum hat inzwischen den nördlichen Teil der Insel getroffen, aber wir bekommen hier im Süden dafür den meisten Regen und Sturm ab. Die meisten Geschäfte und Restaurants haben bereits Mittags ihren Betrieb eingestellt und auf den Straßen ist kaum noch was los. Im heftigsten Tropenregen fahren wir dann schließlich weiter nach Kaohsiung, was zum Glück gerade mal eine Stunde entfernt liegt. Aber dazu dann morgen mehr.